Dedikationseinbände des AEB

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Dedikationsband 2008 (Weimar) von Ingeborg M. Hartmann (Hamburg)
zur Einband-Forschung Heft 22, April 2008


1987, anlässlich einer Personalausstellung im Museum für Kunsthandwerk Frankfurt am Main, erklärte die Hamburger Buchbinderin Ingeborg M. Hartmann, dass die Gestaltung eines Bucheinbands für sie von innen nach außen geht, „d.h. ich lese zuerst das Buch und versuche schon während des Lesens eine Form für das Äußere zu finden.“
Da Ingeborg Hartmann ganz aus der Praxis gekommen ist, d.h. ihre berufliche Erfahrung ausschließlich in der handwerklichen und industriellen Buchbinderei, u.a. in der Hamburger Großbuchbinderei Ladstetter erwarb, wurde und wird sie nicht durch Vorbilder eingeengt und belastet. Ihr gestalterisches Engagement, mit dem sie mit 29 Jahren den Mut zur Eröffnung einer eigenen Buchbinderwerkstatt hatte, erwächst aus ihrem Interesse an künstlerischen und literarischen Themen und deren Umsetzung in eigene Phantasien. Auf der Grundlage ihrer gediegenen handwerklichen Ausbildung und umfassenden beruflichen Erfahrung konnte sie in ihrem, nun bereits 36 Jahre bestehenden Atelier, zunächst in der Hamburger Theaterpassage in unmittelbarer Nachbarschaft zur Druckerei Christiansen und heute in der Alsterwiete an der Hamburger Binnenalster, ein vielseitiges buchbinderisches Schaffen entfalten.
Mit ihrem Handeinband zum Heft 22 der Einbandforschung fordert die Hamburger Buchbinderin und Buntpapiererin den Betrachter geradezu zu einer Auseinandersetzung mit ihrem Schaffen heraus, denn auf diesem Einband offenbart sie viele Stationen ihres gestalterischen Bemühens. Die Stationen bzw. Etappen der Einbandgestaltung äußern  sich als Streifen aus unterschiedlichem Material, das gleichfalls verschiedene Techniken erfordert. Es beginnt mit farblich nuanciertem Marmorpapier. Die Entstehung der charakteristischen Muster des Marmorpapiers wird in der Abfolge vom Hinterdeckel über den Rücken zum Vorderdeckel nachvollziehbar. Es folgen Bänder aus durchsichtigem Plexiglas, jeweils mit blauem oder rotem Ziegenleder über den  Falz zum Rücken verbunden. Sie gewähren auf dem Vorderdeckel den Durchblick zum Titel Einbandforschung. Auf dem Hinterdeckel sind diese Plexiglasstreifen mit Bundpapieren – einem grünen Monotypiepapier und blauem Kleisterpapier – hinterlegt. Dazwischen werden weitere Möglichkeiten mit unterschiedlichen Materialien ausgelotet. Auf einen Streifen aus gelbem Leinen folgt geadertes Pergament, das in einer charakteristischen Vorderkante über dem Schnitt endet. Auf dem Rücken trägt der Pergamentstreifen ein rotes Titelschild mit der vergoldeten Zählung des Heftes. Dunkelblaues Kalbleder, mit einer Blinddrucklinie gerahmt und einem Palmettenstempel verziert, bildet den etwas breiteren Abschluss der zahlreichen Variationen der Gestaltungsmöglichkeiten auf diesem Handeinband. Aber damit ist der Einfallsreichtum, mit dem Ingeborg Hartmann bei diesem Einband überrascht, noch nicht beendet. Beim Aufschlagen des Bandes ermöglicht der Spiegel aus orangeleuchtendem Knitterpapier und die Vorderseite des fliegenden Blattes aus Schablonenwischpapier der Buntpapiererin Hartmann eigene Papierschöpfungen einzusetzen. Die Rückseite des fliegenden Blattes hat sie benutzt, um mit einem grünen Batikpapier farblich auf den abgebildeten gotischen Halblederband des Heftumschlages anzuspielen und zugleich die temperamentvolle Bewegtheit des modernen Papiers in Kontrast zu den gestalterischen Möglichkeiten des historischen Einbandes zu setzen. Die wiederholt sich am Schluss in der Gegenüberstellung der abgebildeten Verlagseinbände aus dem 19. Jahrhundert mit dem modernen Tropfenmuster des Batikpapiers.

Auszug aus: Schaefer, Helma: Stationen eines Bucheinbands in: Einband-Forschung Heft 23/Oktober 2008 S. 14-16

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