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8. Jahrestagung

24.-27. September 2003
Graz, Universitätsbibliothek

Programm:

Mittwoch, 24.9.2003

19.00 Uhr Begrüßungsabend im Lesesaal der Universitätsbibliothek (mit Imbiss)

Donnerstag, 25.9.2003

9.00 Uhr Beginn der Tagung
9.30 Uhr Die Grazer Universitätsbibliothek: Geschichte und Bestände HR Dr. Hans Zotter (Graz)
Kaffeepause
10.30 Uhr Einbandforschung in der Steiermark mit Führung durch die Ausstellung: "Historische Bucheinbände aus der Steiermark" Werner Hohl (Graz)
12.30 Uhr Mittagspause
14.00 Uhr Technische Gestaltung von Koberger-Einbänden Peter Schrijen (Limbricht)
15.00 Uhr Geselleneinschreibebücher der Neuzeit Ute Maria Etzold (Wolfenbüttel)) Kaffeepause
16.00 Uhr Kapitale Dr. Claus Maywald-Pitellos (Mainz)
18.00 Uhr Stadtführung (fakultativ)
19.00 Uhr Möglichkeit zum gemeinsamen Abendessen

Freitag, 26.9.2003

9.00 Uhr In eigener Sache. Neue Entwicklungen im AEB Dr. Holger Nickel (Berlin)
9.30 Uhr Restaurierung der Leipziger Inkunabeln (Arbeitstitel) Barbara Schinko/Helma Schaefer (Leipzig)
Kaffeepause
10.30 Uhr Wie restauratorische Eingriffe das Erscheinungsbild von Bucheinbänden verändern. Ein Arbeitsbericht aus der Restaurierungswerkstatt (Arbeitstitel) Max Krauss (Wien)
11.30 Uhr Mittagspause
13.30 Uhr Projekte Buchschließen und Deckelaufteilung Dr. Konrad von Rabenau (Schöneiche,Leipzig)/Georg Adler (Prerow)
14.30 Uhr Faksimile und Einband Dr. Manfred Kramer (Luzern)
Kaffeepause
15.30 Uhr Besuch der Druckerei Print & Art (ADEVA) alternativ: Recherchemöglichkeiten in der Einband-Datenbank Andreas Wittenberg und Ulrike Marburger (Berlin) alternativ: Die Ulmer Einbandgespräche Walter Krepl (Ulm)

Veranstaltungsort: Universitätsbibliothek Graz (Universitätsplatz 3)

Tagungsbericht:

Graz, die europäische Kulturhauptstadt 2003, war der erste ausländische Tagungsort für den in Deutschland angesiedelten AEB. Gastgeberin war die Universitätsbibliothek, deren Leiterin, Dr. Sigrid Reinitzer, die Einbandforscher aus mehreren europäischen Ländern am Abend des 24. September zum Empfang im Historischen Lesesaal begrüßte.

Die wissenschaftliche Tagung begann am nächsten Morgen mit einem Referat von Dr. Hans Zotter, dem Leiter der Sondersammlungen der UB Graz, Die Grazer Universitätsbibliothek: Geschichte und Bestände: Mitte des 16. Jahrhunderts war die Stadt Graz, Hauptstadt von Innerösterreich, zur Reformation übergegangen, nur der Hof blieb katholisch. Im Zuge der Gegenreformation wurde unter Erzherzog Karl II. 1573 ein Jesuitenkolleg mit Bibliothek gegründet, das 1585 in eine Universität umgewandelt wurde. 1590 kam es zur Verbrennung der protestantischen Bücher; die Reste übernahmen die Jesuiten unter Wahrung der Diskretion, d. h. sie vermieden eigene Besitzeinträge, die sie sonst in allen Büchern vornahmen. Nach der Aufhebung des Ordens wurde die Bibliothek 1775 dem Staat überstellt und 1781 nach Umbauarbeiten neu eröffnet. Bereits 1782 stufte Kaiser Joseph II. jedoch die Universität zu einem Lyzeum herab; indes flossen in den folgenden Jahren durch die Josephinische Klosteraufhebung die Buchbestände von etwa 40 steirischen Klöstern der Grazer Lyzeumsbibliothek zu. Bereits 1807 erhielt die Bibliothek das Pflichtexemplarrecht für jedes in der Steiermark veröffentlichte Buch. 1827 erhob Kaiser Franz II. das Lyzeum wieder zur Universität und verlieh ihr den Namen Universitas Carolo-Francisca (Karl-Franzens-Universität). 1894 bezog die Bibliothek einen Neubau im Osten der Stadt auf dem Universitätsgelände, wo sie sich bis heute befindet. Zu ihren Beständen gehören neben anderen wertvollen Materialien 2.215 Handschriften und 1.115 Inkunabeln. Bücher mit bemerkenswerten Einbänden sind gesondert aufgestellt. 1995 begann die UB Graz mit der Digitalisierung ihrer Handschriften, wozu sie das Equipment (wie den mittlerweile berühmten Kameratisch) und die Software neu entwickelte. Ziel ist es, digitale Objekte, auch Unikate, im Internet verfügbar zu machen. Das anfängliche Pilotprojekt ist mittlerweile ausgelaufen; die Finanzierung erfolgt nun durch Fremdaufträge, Verkauf von Eigenprodukten und auch durch Sponsoren. (www.kfunigraz.ac.at/ub/sosa)

Werner Hohl (Graz) berichtete anschließend über Einbandforschung in der Steiermark. Sie hat in Graz eine lange Tradition. In den Sammlungen der Universitätsbibliothek befinden sich spätgotische Bände aus den steirischen Klöstern, Reformationseinbände und Arbeiten der Grazer bürgerlichen Buchbinder des 16. bis 18. Jahrhunderts. Bedeutende Bände im Stil des Historismus enthält die Bibliothek der ersten griechischen Königin Amalia von Oldenburg, Gattin König Ottos (s. dazu: Pfligersdorffer, G.: Die Bücher der Königin Amalia von Griechenland in der Universitätsbibliothek Graz, in: Gutenberg-Jahrbuch 1989, S. 364–376). Durch mehrere Ausstellungen wurden die historisch bedeutenden Einbände in den vergangenen Jahren der Öffentlichkeit vorgestellt. Die systematische Erfassung und Katalogisierung der Einbände, 1974 begonnen, ist nunmehr abgeschlossen. Etwa 10.000 Einbände wurden bearbeitet, inklusive aller Handschriften und Inkunabeln. Sie sind durch einen Zettelkatalog erschlossen (s. dazu: Hohl, W.: Einbandkatalog und Handschriften-Einbände der Grazer Universitätsbibliothek, in: Gutenberg-Jahrbuch 1995, S. 282–293).
Eine Führung durch die Ausstellung Historische Bucheinbände aus der Steiermark in der Eingangshalle der Bibliothek schloss den Vormittag ab.

Georg Adler (Prerow) erläuterte nach der Mittagspause seine Bild-Datenbank Buchschließen und –beschläge. Sie umfasst bereits 2.500 Aufnahmen und wird weiterhin ausgebaut. Genauer behandelt wurden die Schließenlager, also die festen Gegenstücke der beweglichen Verschlüsse. Mittelalterliche Metallteile werden häufig bei Ausgrabungen gefunden. Da gleichgeformte Teile für verschiedene Funktionen benutzt wurden, wird ihr Verwendungszweck – es mag sich um Stücke von Pferdegeschirren, Gürteln, Fibeln oder eben um Buchschließen handeln – gewöhnlich nur durch den Fundort ersichtlich. Bei der Serienherstellung, auf die sich schon frühzeitig so genannte Klausurenmacher spezialisierten, wurden bestimmte Motive bevorzugt, etwa Pflanzen und Blumen. Da sich aus den verwendeten Buchschließen der Herstellungsort oder zumindest die Gegend bestimmen lässt, ist es möglich, alte Handelswege zu erforschen. Für die Datenbank wird außer Originalen (die vor Ort aufgenommen werden) auch die einschlägige Literatur, etwa Bildbände, ausgewertet. (www.adlerpre.de)

Mit Spannung erwartet worden war der Vortrag von Ute Maria Etzold (Wolfenbüttel): Geselleneinschreibebücher der Neuzeit. Es handelt sich dabei um handschriftliche Dokumente des Zunftlebens der Gesellen, die sich während ihrer vorgeschriebenen Wanderjahre jeweils vor Ort mit Namen, Herkunft und Datum in das vorgelegte Fremdenbuch eintrugen. Die Geselleneinschreibebücher der Buchbinderzunft sind natürlich eine Demonstration des fachlichen Könnens und überliefern in der Mehrzahl schöne, handwerklich sorgfältig ausgeführte Einbände. Ein für den Einbandforscher besonders wichtiges Kriterium ist die dabei stets zuverlässige Datierung, die durch die Einträge möglich ist. Von 105 derartigen untersuchten Büchern konnten 46 sogar einem namentlich genannten Buchbinder zugeordnet werden. Instruktive Dias verdeutlichten die theoretischen Ausführungen.

Dr. Claus Maywald-Pitellos (Mainz) sprach über die Terminologie von Kapitalen, die sich bisher diffus darstellt. Die Bezeichnungen für die verschiedenen Arten von Kapitalen differieren, je nachdem, ob man die Herkunft (z. B. arabisch), das Aussehen (naturfarben) oder das Material (Hanf) zur Unterscheidung heranzieht. Um die Forschungsergebnisse auf diesem und anderen Gebieten der Einbandtechnik weiteren Kreisen zugänglich zu machen, sind in Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachleuten knappe Arbeitsberichte und Handreichungen verfasst worden, die als Drucke bezogen werden können. Bisher sind erschienen:
Die Kapitale. Die Terminologie der Kapitale / Claus Maywald-Pitellos. ISBN 3-931775-04-06 Die Kapitale. Das arabische, armenische, äthiopische, koptische und griechische Kapital / Claus Maywald-Pitellos; Friedrich Prenzlau. ISBN 3-8311-4563-6
Beide Veröffentlichungen bei Books on Demand, Norderstedt
Die Schreibtinten. Eine Einführung / Claus Maywald-Pitellos. Königswinter 2003.ISBN 3-931775-05-4

In eigener Sache: Neue Entwicklungen im AEB trat am Freitag Dr. Holger Nickel (Berlin), der Sprecher des AEB, vor das Gremium. Diesem wurde die neue Struktur des Arbeitskreises vorgestellt, die auch als Schriftstück den Tagungsunterlagen beigefügt war. Danach strebt der AEB eine Zusammenarbeit mit Personen und Institutionen an, die sich mit dem Bucheinband beschäftigen. Er sieht sich als Anlaufstelle für alle Fragen im Zusammenhang mit der Erfassung und Bestimmung historischer und künstlerischer Bucheinbände, auch für die industrielle Buchproduktion und ihre Fragestellungen bis zur Gegenwart. Nach wie vor ist der AEB kein Verein und erhält daher keine Mitgliedsbeiträge. Eine Geschäftsführung von derzeit sechs Personen fühlt sich für den AEB verantwortlich. Als Vertreter nach außen fungiert in Abstimmung mit den übrigen Mitgliedern der Sprecher. Die Geschäftsstelle ist an der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz angesiedelt. Das Mitteilungsblatt "Einband-Forschung" erscheint in loser Folge und kann über die Geschäftsstelle abonniert werden. Gerne registriert der AEB Meldungen neuer Einbandliteratur und bittet um Mitteilung laufender einschlägiger Projekte. (aeb.sbb.spk-berlin.de)

Den ersten Fachvortrag des Vormittags bestritten Helma Schaefer und Barbara Schinko (beide Leipzig). Sie berichteten mit erläuternden Dias von ihren Erfahrungen aus der Konservierung und Restaurierung eines Inkunabel-Bestandes. Diese betrafen das Projekt des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Bücherei Leipzig zur Erhaltung der Inkunabeln der Klemm-Sammlung. Benannt ist die Sammlung nach Heinrich Klemm (1819–1886), der sie 1885 an das Königreich Sachsen verkauft hatte mit dem ausdrücklichen Wunsch nach Restaurierung der Einbände. Es handelt sich um Inkunabeln oder Frühdrucke, jedoch in Einbänden der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nach damaligem Geschmack "geschönt" oder sogar neu gebunden. Bereits Albert Schramm (1880–1937) hatte das Inkunabelmagazin deswegen als "Schreckenskammer" bezeichnet. Es kommen vor allem drei Einbandarten vor:
1. Kalikobände mit Blind- oder Goldprägung,
2. so genannte Lackbände, d. h. die Originaleinbände sind mit einer Lackfarbe überzogen worden,
3. Originaleinbände mit nur kleinen Veränderungen, etwa neuen Vorsatzblättern.
Die Einbände sind durchwegs mit Schließen aus industrieller Herstellung versehen. An manche Originale sind als "Füllmaterial" zeitgenössische Drucke, etwa Auktionskataloge, angebunden. Bei dem Leipziger Pilotprojekt wurden zunächst 10 Stücke exemplarisch restauratorisch behandelt und digitalisiert, um Erfahrungen für die weitere Vorgehensweise zu gewinnen. (www.d-nb.de/sammlungen/dbsm/kataloge/inkunabeln)

Das Thema Restaurierung aufgreifend, zeigte Max Krauss (Wien) anhand von eindrucksvollen Bildern, Wie restauratorische Eingriffe das Erscheinungsbild von Bucheinbänden verändern. Er brachte Beispiele undokumentierter Restaurierung von Büchern, deren Originalzustand sich heute nicht mehr eruieren lässt und zeigte alternative Möglichkeiten der Bestandserhaltung. So können für nicht mehr restaurierbare Originaleinbände funktionelle Ersatz-Einbände (Konservierungseinbände) das Mittel der Wahl sein, besonders im Hinblick auf die Benutzung. Die Reste des Originaleinbands müssen dabei unbedingt aufbewahrt und dokumentiert werden. Konservierung durch Boxing, d. h. Aufbewahrung der unrestaurierten Bücher im Originalzustand in Kassetten, ist jedoch in den meisten Fällen die Lösung, die das Original am wenigsten beeinträchtigt und einen guten Schutz bietet. Vom Standpunkt der Bestandserhaltung aus als schädlich erweisen sich zunehmend auch die Ausstellungen, zu denen immer wieder dieselben Objekte eingefordert (und zugesagt) werden.

Dr. Konrad von Rabenau (Schöneiche, Leipzig) und Joachim Krauskopf (Leipzig) stellten ihr Forschungsprojekt zur Buchdeckelaufteilung vor. Es wurde eine Anleitung zur Beschreibung und Bestimmung der Gestaltung der Deckel und des Rückens erarbeitet. Sie besteht aus den Komponenten Bild und verbale Beschreibung und soll durch ein Typenregister ergänzt werden. Die Hilfe zur Beschreibung des Einzeleinbandes bildet dann auch eine Basis für stilistische Vergleiche. Auch Werkzeuge für die handwerkliche Arbeit am Einband, z. B. Liniereisen oder Stempel, werden in Abbildungen vorgestellt und definiert. Schwierigkeiten ergeben sich dabei für die Bearbeiter durch das Fehlen von Originalwerkzeugen. Bisher wurde die Stilepoche der Spät gotik in Mittel-, West- und Nordeuropa berücksichtigt; es ist jedoch die Ausweitung auf andere Stilepochen und andere Länder geplant.

Das Referat von Dr. Manfred Kramer (Luzern) Faksimile und Einband mit schönen Demonstrationsobjek-ten konnte deutlich machen, wie wichtig ein adäquater Bucheinband für den wirtschaftlichen Erfolg eines Faksimiles ist. In manchen Fällen ist der Einband wegen inhaltlicher Verbindung mit dem Text sogar unverzichtbar und erfordert zwingend eine Replik. Als Problem stellt sich dabei häufig die Beschaffung passenden Materials.

Danach trennten sich die Wege der Tagungsteilnehmer. Alternativ konnte die Druckerei Print & Art besucht werden, wo die Herstellung hochwertiger Faksimiledrucke gezeigt wurde, oder es gab die Möglichkeit, die Benutzung der Einbanddatenbank (www.hist-einband.de) zu üben.

Termingerecht ist Heft 13 der "Einband-Forschung" erschienen, das den Teilnehmern kostenlos überreicht wurde.
Zur 9. Jahrestagung 2004 sind alle Interessierten vom 16. – 18. September nach Würzburg eingeladen.

Angelika Pabel

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Aktualisiert am 21.12.2007