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11. Jahrestagung

19.-21. Oktober 2006
München, Bayerische Staatsbibliothek

Programm

Donnerstag, 19.10.2006

19.00 Uhr
Vortrag im Rahmen der Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek "Bucheinbände aus 1000 Jahren":
Die italienische Einbandkunst des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Verbindung mit Deutschland
Dr. Anthony R. A. Hobson (London)

Freitag, 20.10.2006

9.00 Uhr
Eröffnung der Jahrestagung
9.30 Uhr
Münchener Buchbinder von der Spätgotik zum 30jährigen Krieg
Dr. Anja Freckmann (München)
10.15 Uhr
Kaffeepause
10.45 Uhr
Gesamtkunstwerk und Massenprodukt - die künstlerische Gestaltung von Handschriften und Inkunabeln in der Werkstatt Ulrich Schreiers
Michaela Schuller (Wien)
11.15 Uhr
Anschnürtechniken für lose Buchdeckel - Joint tacketing und Variationen
Karin Eckstein (München)
12.00 Uhr
Mittagspause
13.30 Uhr
The importance of binding structure in understanding the role of bookbinding in the distribution of books in the early modern period
Prof. Dr. Nicholas Pickwoad (London)
14.15 Uhr
Beutelbücher
Margit J. Smith (San Diego) / Jim Bloxam (Cambridge)
15.00 Uhr
Kaffeepause
15.30 Uhr
Führungen alternativ:
Ausstellung "Bucheinbände aus 1000 Jahren" oder
Institut für Buchrestaurierung in der Bayerischen Staatsbibliothek
19.00 Uhr
Es besteht die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Abendessen. Dafür konnten die "Botticelli-Stuben" (http://www.ratskeller.com/de/der ratskeller/botticellistuben.php) im Münchener Ratskeller reserviert werden.

Samstag, 21.10.2006

9.00 Uhr
Westeuropäische Inspirationen und Nationalstil in der polnischen Bucheinbandkunst der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts
Dr. Stanislaw Rowinski (Hamburg)
9.45 Uhr
Die Einbandsammlung des Germanischen Nationalmuseums
Dr. Agnes Scholla (Nürnberg)
10.15 Uhr
Kaffeepause
10.45 Uhr
Die Einbände der Inkunabeln aus dem Zisterzienserkloster Salem
Dr. Armin Schlechter (Heidelberg)
11.30 Uhr
Die Buchbinderwerkstatt des Augustinerchorherrenstifts Indersdorf bei Dachau. Ein historischer Überblick von den Anfängen bis zum 17. Jahrhundert
Dr. Randall Herz (Erlangen)
12.15 Uhr
In eigener Sache
13. 00 Uhr
Abschluss der Tagung

Am Samstagnachmittag besteht die Möglichkeit, an einer Führung durch die Bibliothek des Deutschen Museums teilzunehmen.
Es besteht auch die Möglichkeit, an einer Führung durch die Dombibliothek Freising incl. einer kleinen Einbandausstellung teilzunehmen.
(Der Dom ist wegen Restaurierungsarbeiten für den Publikumsverkehr geschlossen)
Abfahrt des Busses: 14.00 ab Ludwigstraße
Rückfahrt ab Freising: 17.00 (über S-Bahnhof Freising, Hauptbahnhof und Ostbahnhof zur Ludwigstraße)
Unkostenbeitrag pro Person: 10 Euro (Bitte am Freitag bei der Anmeldung bar bezahlen)

Veranstaltungsort: Bayerische Staatsbibliothek München, Ludwigstr. 16

Tagungsbeitrag: 20 Euro
Bitte am Freitag vor Beginn der Tagung bar bezahlen.

Anmeldeschluss: 31.7.2006
(bitte Voranmeldung für die Führungen am Freitag und das Angebot am Samstag)

Anmeldung:
Geschäftsstelle des AEB (Andreas Wittenberg)
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz / Abt. Historische Drucke
Unter den Linden 8, 10117 Berlin
Email: andreas.wittenberg@sbb.spk-berlin.de

Anreise:
Vom Hauptbahnhof mit den U-Bahn-Linien U4 oder U5 bis Odeonsplatz, von dort kurzer Fußweg oder mit U3 oder U6 zur Haltestelle "Universität"

Stadtplan und Netzplan für den Nahverkehr unter
www.muenchen.de

Hotels:
Eine möglichst frühe Buchung wird dringend empfohlen.

Es konnte in verschiedenen Hotels in unmittelbarer Nähe der Bayerischen Staatsbibliothek ein Kontingent Zimmer zu Sonderpreisen für die Teilnehmer der Tagung vorreserviert werden. Die Verlängerungsnacht zum Sonntag kann zum gleichen Preis hinzugebucht werden. Die Zimmer sind bis 21. bzw. 31.8.2006 von den Teilnehmern direkt bei den Hotels zu buchen unter Angabe des Stichworts "Einbände".

Hotel Hauser "An der Universität"
Schellingstr. 11
80799 München
Tel.: 089/28 66 750
Fax: 089/28 66 75 99
E-Mail: info@Hotel-Hauser.de
www.hotel-hauser.de
Buchung bis 21.8.2006
20 EZ für 78 Euro pro Zimmer/Nacht (Dusche, WC, Fön, TV, Radio, Safe, Klimaanlage, Internetanschluss/W-Lan)
Incl. reichhaltigem Frühstücksbüffet

Antares Garni
Amalienstr. 20
80333 München
Tel.: 089/2800-200
Fax: 089/2800-222
E-Mail: info@antares-garni.de
www.antares-garni.de
Buchung bis 31.8.2006
30 EZ für 74 Euro (DZ 94 Euro) pro Zimmer/Nacht (Bad o. Dusche, WC, Fön, Telefon, Kabel-TV, Minibar, Hosenbügler auf Wunsch)
Incl. reichhaltigem Prosecco-Frühstücksbüffet

Savoy Garni
Amalienstr. 25
80833 München
Tel.: 089/ 28 78 70
Fax: 089/28 01 61
E-Mail: info@savoy-garni.de
www.savoy-garni.de
Buchung bis 31.8.2006
35 EZ
Preise und Ausstattung wie Antares Garni

Günstiges Hotel ohne Vorreservierung (nur 22 Zimmer)

Hotel Lettl
Amalienstr. 53
80799 München
Tel.: 089/28 66 970
Fax: 089/28 66 97 97
E-Mail: info@hotel-lettl.de
www.hotel-lettl.de
Stornofrist 3 Wochen vor Anreisetag
22 EZ ab 68 Euro (Du, WC od. Bad, Telefon, TV, Minibar)
Incl. Frühstücksbüffet

Tagungsbericht:

Es wäre zu abgedroschen, mit Thomas Manns "München leuchtete" den Bericht von der diesjährigen Tagung des AEB zu beginnen - dennoch mag dieses Zitat manchem in den Sinn gekommen sein, der am Abend des 19. Oktober bei herrlichem Spätsommerwetter die Ludwigstraße entlangging zur Bayerischen Staatsbibliothek (BSB). Dort wurde die 11. Jahrestagung mit einem festlichen Empfang eröffnet. Gleichzeitiger Anlass war die Midissage der Ausstellung AußenAnsichten: Bucheinbände aus tausend Jahren, die im Zusammenhang mit der Jahrestagung an der BSB erarbeitet worden war und in ihrer "Schatzkammer" und den angrenzenden Räumen gezeigt wurde.
Das Interesse an den AEB-Jahrestagungen aus dem Kreis der Bibliothekare, Archivare, Restauratoren und Kunsthistoriker nimmt kontinuierlich zu. Die Anmeldungen für München waren so zahlreich, dass sie die zur Verfügung stehenden Raumkapazitäten überstiegen und deshalb nicht alle berücksichtigt werden konnten. So war es fast ein Privileg, zu den 90 offiziellen Teilnehmern zu gehören.
Nach der Begrüßung durch den Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek Dr. Rolf Griebel und einem Grußwort des Sprechers des AEB Dr. Holger Nickel (Berlin) überreichte dieser das seit der Würzburger Tagung 2004 eingeführte Gastgeschenk, ein Heft der Zeitschrift Einbandforschung im eigens angefertigten Handeinband von Max Krauss (Wien). Die Beschreibung des Dedikationseinbandes, verfasst von Helma Schaefer (Leipzig), kann in Heft 19, Oktober 2006, nachgelesen werden. Für den anschließenden Festvortrag hatte der international bekannte Einbandexperte Dr. Anthony Hobson (London) gewonnen werden können. Er sprach über Die italienische Einbandkunst des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Verbindung mit Deutschland. Diese verlief auf zwei Wegen. Einerseits brachten deutsche Studenten aus begüterten Häusern von ihren Studienaufenthalten in Italien dort gebundene Bücher mit. Andererseits arbeiteten italienische oder italienisch beeinflusste Buchbinder für deutsche Bibliophile wie etwa den Augsburger Kaufmann Johann Jakob Fugger. Mit dem Kauf von dessen Bibliothek durch den Bayernherzog Albrecht V. gelangten 1571 derartige Einbände in die Hofbibliothek in München und damit in die heutige Bayerische Staatsbibliothek. Zahlreiche bildlich vorgestellte Einbände konnten in der Ausstellung im Original besichtigt werden.

Der Freitag begann mit dem Vortrag von Dr. Anja Freckmann (München) Münchener Buchbinder von der Spätgotik zum 30jährigen Krieg. Die Buchbinder in München sind im Gegensatz zu anderen Städten archivalisch gut belegt. Doch für die Zeit der Spätgotik sind nur drei freie Buchbinderwerkstätten rekonstruierbar; dort tätige Buchbinder jedoch nicht als Einzelpersonen verzeichnet. Um 1488-1496 arbeitete als erster namentlich bekannter Münchner Buchbinder Johannes Voerer. Seit Gründung der Münchner Hofbibliothek 1558 durch Herzog Albrecht V., der sich als Kunstmäzen und Sammler verstand, wurden repräsentative Einbände mit Supralibros angefertigt, beispielsweise ein Renaissance-Einband vom Hofbuchbinder Heinrich Peisenberg mit dem goldgeprägten Porträt des Herzogs, als einziges in dieser Ausführung erhalten. Auch dieser Vortrag nahm starken Bezug auf die Exponate der Ausstellung.
Michaela Schuller (Wien) sprach über Gesamtkunstwerk und Massenprodukt - die künstlerische Gestaltung von Handschriften und Inkunabeln in der Werkstatt Ulrich Schreiers. Dieser, ein Buchmaler und Buchbinder, führte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine große Werkstatt zunächst in Salzburg, dann in Wien und Bratislava. Handschriften und Inkunabeln gestaltete er als Gesamtkunstwerk: für den Schmuck des Einbandes kombinierte er Blindstempel mit Lederschnitt und Kolorierung, vergoldete und ornamentierte die Buchschnitte, entwarf auch das Metallwerk. Für die Illumination des Textes verwendete er häufig die gleichen Motive wie für die Einbandgestaltung. Auch die Bindetechnik ist bei all seinen Arbeiten dieselbe. Schreier ist daher ein frühes Beispiel für einen "Buchkünstler", der jedoch die handwerklich gefertigten Bücher seiner Werkstatt als "Massenprodukte" für den Markt herstellte. Ein Referat aus der Praxis, das besonders das Interesse der zahlreich anwesenden Restauratoren finden sollte, hielt Karin Eckstein vom Institut für Buch- und Handschriftenrestaurierung (IBR) an der Bayerischen Staatsbibliothek: Anschnürtechniken für lose Buchdeckel - Joint tacketing und Variationen. Dieses Verfahren wird angewandt für Bände mit gut erhaltenem Buchblock und Einband, bei denen aber einer oder beide Deckel lose vorliegen. Ohne weitreichenden Eingriff in die Originalsubstanz können die losen Deckel manuell wieder befestigt werden, eine Neubindung ist nicht erforderlich. Mehrere variable Verfahrensweisen sind wählbar, je nach Art der Bindung und des Schadensfalls. Das so behandelte Buch ist wieder benutzbar. Die Technik wurde am Nachmittag auch vor Ort in der Restaurierungswerkstatt demonstriert.
Nach der Mittagspause richtete sich gespannte Aufmerksamkeit auf Prof. Dr. Nicholas Pickwoad (London) und seinen durch aussagekräftige Bilder illustrierten Vortrag The importance of binding structure in understanding the role of bookbinding in the distribution of books in the early modern period. Bücher wurden bis in die Neuzeit ungebunden oder in Interimseinbänden verkauft. Bindung und Gestaltung des Einbandes blieben üblicherweise dem Käufer, nur in Einzelfällen dem Verleger als Auftraggeber für den Buchbinder überlassen. Gerade anhand der - für bestimmte Regionen und Werkstätten typischen und oft über lange Zeiträume unveränderten - Bindung können aber Erkenntnisse gewonnen werden. "where, when and by whom" ein Einband hergestellt wurde. Es sind also nicht immer nur die Stempel der Einbanddekoration, die Aussagen über Herkunft und Handelswege von Büchern erlauben.
Das Beutelbuch ist eine besondere Form des Einbandes zum bequemen Mitnehmen des Buches, die im Spätmittelalter verbreitet war. Dazu wurde das Leder des Deckelbezugs verlängert und mit einem Ring oder einem Knoten am unteren Ende zusammengehalten. So konnte das Buch am Gürtel befestigt und unterwegs gelesen werden. Nur 23 im Original erhaltene Beutelbücher sind bekannt, davon drei in der Bayerischen Staatsbibliothek. Prof. Margit J. Smith (San Diego) und Jim Bloxam (Cambridge) arbeiten seit 2003 an einem Projekt zur Erfassung aller Beutelbücher in Wort und Bild nach Autopsie. Beutelbücher hieß denn auch ihr gemeinsames Referat, in dem sie auf die buchbinderische Arbeit und die Provenienz einzelner Beutelbücher eingingen. Genauer behandelt wurden die drei Exemplare der Bayerischen Staatsbibliothek: das Meißner Rechtsbuch von 1375/85 (Cgm 8950) und das Breviarium aus Tegernsee aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts (Clm 19309), beides Handschriften. Das dritte Beutelbuch ist eine Inkunabel, das von Kaspar Hochfeder 1495 in Nürnberg gedruckte Diurnale Ratisponense (8° Inc.c.a.220a). Erwähnung fand auch das Gebetbuch der Anna Heugin von 1495 in der Universitätsbibliothek Halle (ThSGV 3148).
Der Rest des Nachmittags war zwei Führungen vorbehalten: Dr. Bettina Wagner (München) erläuterte die Ausstellung AußenAnsichten. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der alle 90 Exponate hochqualitativ farbig abbildet (ISBN 3-447-05434-4, 20 €). Alternativ konnte das Institut für Buch- und Handschriftenrestaurierung besichtigt werden, wo verschiedene Techniken demonstriert wurden.
Wie in jedem Jahr war auch für den geselligen Ausklang des Tages gesorgt: in den Botticelli-Stuben im Ratskeller konnten die "Zuagroasten" Bekanntschaft mit bayrischem Bier und bayrischen Schmankerln machen.

Der folgende Samstag bot als Anfang das Referat von Dr. Stanislaw Rowinski (Hamburg) mit dem zunächst etwas sperrigen Titel Westeuropäische Inspirationen und Nationalstil in der polnischen Bucheinbandkunst der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die polnische Einbandkunst dürfte den meisten Zuhörern unbekannt gewesen sein, bis sie sich durch die opulenten Bilder in ihren Bann ziehen ließen. Die Arbeiten von vier Einbandkünstlern wurden eingehend gezeigt und erläutert: Robert Jahoda (1862-1947) war 50 Jahre in Krakau tätig. Aus seiner Werkstatt gingen über 70 Buchbindermeister hervor. Unter starkem Einfluss der österreichischen Einbandkunst arbeitete er besonders mit Ledermosaik und Applikationen. Aleksander Šemkovič (1885-1954) in Lemberg, eigentlich Typograph, gestaltete seine Einbände als Interpretation des enthaltenen Textes. Joachim František Radziszewski (1876-1941) ist ein Vertreter des klassizistisch-historisierenden Stils. Als bedeutendster Einbandkünstler Polens in dieser Epoche ist jedoch Bonawentura Lennart (1881-1973) anzusehen, der in Krakau und Warschau, aber auch in Vilnius, tätig war. Für die Forschung eröffnet sich noch ein weites Feld, da viele polnische Handeinbände in der Folge des Zweiten Weltkriegs aus Museen und Sammlungen an andere Standorte verbracht wurden und ihr derzeitiger Verbleib ungewiss ist. Der wahrscheinlich erste wissenschaftliche Einbandbestandskatalog in Deutschland erschien 1889 in Nürnberg. Unter dem Titel "Katalog der im germanischen Museum vorhandenen interessanten Bucheinbände und Teilen von solchen" verzeichnete er die einschlägigen Bestände. Als Verfasser wird allgemein (wie für die anderen Bestandskataloge des Museums) August von Essenwein angegeben, der damalige Direktor. Der eigentliche Bearbeite des Katalogs ist aber Jean Paul Rée (was nur im Vorwort erwähnt wird). Dr. Agnes Scholla (Nürnberg) sichtete und ordnete 2004 die Sammlung, die aus ca. 640 Stücken besteht. In ihrem Vortrag Die Einbandsammlung des Germanischen Nationalmuseums erstattete sie einen lebendigen und fundierten Tätigkeitsbericht über dieses Projekt und ging auf herausragende Stücke näher ein: z.B. das Beutelbuch HS 17231 (Stundenbuch des Hieronymus Kreß), die ursprünglich zu Cod.Pal.Lat.528 (Commune sanctoru) gehörigen Ottheinrichs-Einbanddeckel von 1558, den Perleinband 8° Lö.253 (Altdorfisches Gesangbüchlein, Nürnberg 1666), den Silbereinband 8° L.673f (Liederschatz der Ev. Kirchen, Kempten 1755). Eine neu erstellte Konkordanz erlaubt das einfache Finden bestimmter Objekte. Es ist zu wünschen, dass diese Konkordanz online zugänglich gemacht werden kann.

Dr. Armin Schlechter (Heidelberg) berichtete anschließend über Die Einbände der Inkunabeln aus dem Zisterzienserkloster Salem. Die Bibliothek dieses Klosters wurde 1826/27 von der Universitätsbibliothek Heidelberg für 20000 Gulden angekauft. Es existiert ein 15bändiger Katalog, der die Bestände zum Zeitpunkt der Auflösung des Klosters 1802/03 verzeichnet. Heute sind noch ca.700 bibliographische Einheiten greifbar, größtenteils in den Originaleinbänden. Ein anderer Teil wurde im 18. Jahrhundert in der Klosterwerkstatt umgebunden, evtl. durch Wanderbuchbinder, die eigenes Werkzeug mitbrachten. Der Kern der Inkunabelsammlung gelangte sekundär ins Kloster. Offenbar wurden Bücher aktiv gesammelt, vorwiegend im deutschsprachigen Südwesten. Das Stempelmaterial ist in der Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/) erfasst.

Aus aktuellem Anlass wurde ein Statement zum von der Landesregierung Baden-Württemberg geplanten Verkauf der wertvollen Handschriften der Landesbibliothek Karlsruhe zusätzlich eingeschoben. Dr. Eva Raffel (Karlsruhe) erläuterte die geschichtlichen und juristischen Hintergründe, berichtete über den Stand der Dinge und rief zum Protest durch eine Unterschriftenaktion gegen den Ausverkauf des Kulturerbes auf. Den letzten Vortrag hielt Dr. Randall Herz (Erlangen) über Die Buchbinderwerkstatt des Augustinerchorherrenstifts Indersdorf bei Dachau, trotz des deutschen Titels in seiner englischen Muttersprache. Das Kloster, gegründet 1120 vom Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, war eines der Hausklöster dieser Dynastie und zeitweilig Grablege. 1783 wurde es aufgehoben; die Klosterbibliothek wurde nach München in die heutige Bayerische Staatsbibliothek und ins Hauptstaatsarchiv verbracht. 600 erhaltene Bände aus der Klosterbibliothek sind bisher bekannt. Die Buchbinderwerkstatt des Klosters ist weder bei Kyriß¹ noch bei Schunke/Schwenke² nachgewiesen, jedoch mittlerweile in der Einbanddatenbank mit 16 Stempeln (von 48 bekannten) vertreten. Bei der Einbandgestaltung der Handschriften und Inkunabeln lassen sich vier Phasen unterscheiden, beginnend mit den frühesten Bindungen um 1400 ohne Dekoration über schlichte Streicheisenverzierungen im Rautenmuster auf vorzugsweise blauem Leder Mitte des 15. Jahrhunderts bis zu den Einbänden mit Blindstempelverzierung ab 1470.

In eigener Sache war der abschließende Programmpunkt überschrieben: Die Tagungsteilnehmer wurden um Mithilfe gebeten bei der Erstellung eines Gesamtregisters für die Hefte 1-20 (erscheint im April 2007) des Mitteilungsblattes "Einbandforschung". Dr. Bettina Wagner ist Koordinatorin für dieses Projekt und nimmt noch Meldungen entgegen (bettina.wagner@bsb-muenchen.de). Änderungen im Leitungsgremium des AEB:
Andreas Wittenberg (SB Berlin) übernimmt die Funktion des Sprechers nach Dr. Holger Nickel, der in den Ruhestand getreten ist. Die Geschäftsstelle (an der Staatsbibliothek Berlin - Preußischer Kulturbesitz - Unter den Linden 8) wird künftig von Frau Ninon Suckow betreut: ninon.suckow@sbb.spk-berlin.de.

Mit Dank an die Gastgeber der Bayerischen Staatsbibliothek München, die mit großem Engagement und personellem Einsatz das gute Gelingen der Jahrestagung ermöglicht haben, wurde die Veranstaltung beendet.

Die Exkursion am Nachmittag in die Dombibliothek Freising interessierte noch viele Teilnehmer. Eigens für sie war vom Leiter der Bibliothek Dr. Sigmund Benker eine Ausstellung mit schönen, ungewöhnlichen oder historisch bedeutsamen Einbänden im barocken Bibliothekssaal zusammengestellt worden.

Die 12. Jahrestagung 2007 wird auf Einladung der Herzog-August-Bibliothek vom 18. bis 20. Oktober in Wolfenbüttel stattfinden.
Das Programm wird wieder rechtzeitig auf der Homepage des AEB veröffentlicht: http://aeb.sbb.spk-berlin.de

Angelika Pabel

       

¹ Kyriss, Ernst: Gotische Einbände im alten deutschen Sprachgebiet. Bd. 1-4. Stuttgart 1951-58
² Schunke, Ilse: Die Schwenke-Sammlung gotischer Stempel- und Einbanddurchreibungen. Bd.1.2. Berlin 1979-96.

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Aktualisiert am 15.12.2006