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1. Jahrestagung
6.-7. Dezember 1996
Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
Tagungsbericht
Berlin, 6.-7. Dezember 1996
Am 6. und 7. Dezember 1996 trafen sich in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz - Fachleute aus dem Gebiet der Bucheinbandforschung. Teilnehmer aus vier europäischen Ländern diskutierten über Möglichkeiten einer effektiveren Zusammenarbeit bei der weiteren Erschließung historischer Bucheinbände. Eingeladen hatte der Deutsche Arbeitskreis für Erfassung und Erschließung historischer Bucheinbände. Der im März 1996 in Leipzig gegründete DAEB hat sich u. a. zum Ziel gesetzt, die Bucheinbandforschung in den Bibliotheken wieder stärker in das Blickfeld zu rücken. Darüber hinaus will er als Plattform für Gespräche zur Verfügung stehen, um den Austausch von Informationen auf breiter Basis zu intensivieren. Die Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz - hatte sich bereit erklärt, als institutionelle Trägereinrichtung für den Arbeitskreis zur Verfügung zu stehen und dessen Aktivitäten im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen. Diese Absicht wurde von Herrn Dr. Antonius Jammers, Generaldirektor der SBB-PK, in seinem Grußwort an die Teilnehmer noch einmal bekräftigt.
Ein erster großer Themenkreis der Tagung befaßte sich mit dem Einsatz von elektronischen Hilfsmitteln zur Erfassung von Daten, die für die Bucheinbandforschung relevant sind. Im Mittelpunkt stand dabei die in der SBB-PK im Aufbau befindliche Datenbank zu dieser Thematik. Zunächst gab Herr Andreas Wittenberg (SBB-PK, Abt. Historische Drucke) einen Überblick über Vorgeschichte und gegenwärtigen Stand der Datenbank. Anschließend wurden erste Ergebnisse demonstriert. Herr Roland Henkel (SBB-PK, Abt. Informationstechnik) stellte das Programm vor und betonte dabei vor allem die Möglichkeit der Text- und Bildverarbeitung, die Allegro bietet. Er zeigte Kategoriebelegungen und Registereinteilungen sowie die Optionen der Bildbearbeitung, die in der Allegroversion 14.2 möglich sind. Die anschließende Diskussion verdeutlichte, daß die bisherige Arbeit erste wichtige Schritte auf einem richtigen Wege sind, jedoch noch erheblich ausgebaut werden muß. Grundlage für die EDV-Demonstration war Schmuckmaterial von Bucheinbänden des 15. und 16. Jahrhunderts.
Daß der Arbeitskreis nicht nur den Einband längst vergangener Zeiten in den Mittelpunkt stellt, machte der Vortrag von Frau Helma Schaefer (Deutsche Bücherei, Buch- und Schriftmuseum Leipzig) deutlich. Sie stellte das deutsche Einbandschaffen im 19./20. Jahrhundert vor. Der durch Dias abgerundete, äußerst interessante Beitrag zeigte den hohen Anspruch des neueren Hand- und Verlagseinbandes.
Eine Führung durch die Restaurierungswerkstatt im Haus Unter den Linden gab dann Gelegenheit, Originaleinbände aus sechs Jahrhunderten zu betrachten. Frau Gertrud Schenck (SBB-PK, Abt. Bestandspflege und Reprographie) erläuterte die Richtlinien bei der Restaurierung des Altbestandes und sprach über Erfahrungen bei der Vergabe von Restaurierungsaufträgen an Werkstätten außerhalb der Bibliothek.
Die weitere Arbeit des DAEB stand im Mittelpunkt eines Gespräches am Freitagabend. Betont wurde hier u. a. die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit dem niederländisch-belgischen Arbeitskreis auf diesem Gebiet. Mit Frau Elly Cockx-Indestege von der Königlichen Bibliothek Albert I. in Brüssel und Herrn Dr. Jan Storm van Leeuwen, National Library of the Netherlands in Den Haag, waren zwei führende Vertreter dieses Arbeitskreises anwesend. Beide betonten die Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit, insbesondere auch auf dem Gebiet der EDV. Die Erfassungsmodalitäten in Berlin sollen mit der Datenbank in Den Haag koordiniert werden.
Die im März 1996 auf der Gründungstagung des DAEB in Leipzig eingesetzte Geschäftsführung wurde für zwei Jahre in ihrem Amt bestätigt. Ansprechpartner für alle an der Arbeit des DAEB Interessierten bleibt die Geschäftsstelle in der SBB-PK im Hause Unter den Linden (Andreas Wittenberg 030/20 15 12 39 oder über das Sekretariat der Abt. Historische Drucke 030/20 15 14 10).
Die Gespräche am Sonnabend begannen mit einem Vortrag von Herrn Dr. Gerd Brinkhus (UB Tübingen). Er erläuterte eingehend Geschichte und Technik der Koperte, das sind flexible Pergamenteinbände. Die Besonderheiten dieser speziellen Einbandart wurden durch Dias wirkungsvoll dokumentiert. Dr. Brinkhus wies vor allem auf Details hin, die für diese Einbandart charakteristisch sind, aber leider zu oft übersehen werden.
Ergebnisse aus der Arbeitsgruppe Terminologie des Bucheinbandschmuckes im 15. Jahrhundert wurden von Frau Sylvie Karpp-Jacottet (Leipzig) vorgestellt. Anhand einer Motivliste kennzeichnete sie die Schwierigkeiten der Benennung von Einzelstempeln des gotischen Buchschmuckes und stellte Vorschläge zu deren Überwindung zur Diskussion. Ausgangspunkt für die Motivübersicht war ein Vergleich der Publikation von Ziesche/Becker, der Sammlung Schwenke und der Sammlung von Rabenau.
Mit diesem Beitrag in Zusammenhang stand der Vortrag von Herrn Dr. Konrad von Rabenau (Schöneiche), der aufgrund der begrenzten Zeit leider nur sehr kurz sein konnte. Er berichtete über seine Erfahrungen bei der Bearbeitung der Schwenke-Sammlung zum gotischen Bucheinbandschmuck. Der kürzlich in der Reihe "Beiträge zur Inkunabelkunde" erschienene zweite Band, herausgegeben von Dr. Holger Nickel im Auftrag der Staatsbibliothek zu Berlin, komplettiert die Veröffentlichung aus dem Jahre 1979. Während der erste Band die Motive erfaßte, beschreibt der zweite Band die Werkstätten.
Über die Erfassung von Bucheinbänden an der Universitätsbibliothek in Graz berichtete Herr Dr. Werner Hohl (UB Graz). Er legte den Umfang der Sammlung, die Kriterien für ihren Aufbau sowie die weitere Erschließung und Bestimmung der Einbände dar. Die Einbandsammlung ist durch einen Katalog bereits ausführlich vorgestellt worden. Dieser ist seit kurzer Zeit auch über das Internet abrufbar.
In die Zeit nach dem 30jährigen Krieg führte der Vortrag von Frau Nadine Vogler (Taunusstein). Sie sprach über ausgewählte Beispiele aus dem Bibliotheksbestand auf Schloß Skokloster/Schweden, die durch schwedische Truppen dorthin verschleppt worden waren. Unter den Beständen auf Schloß Skokloster befinden sich u. a. Werke aus der Bibliothek des deutschen Reichsritter und Humanisten Franz von Sickingen. Daß sich Sickingen für seine Bücher spezielle Rollen für den Einbandschmuck anfertigen ließ, konnte Frau Vogler eindrucksvoll nachweisen.
Ein Ausblick auf die nächste Jahrestagung des AEB, die vom 16. - 18.10.1997 in Michelstadt stattfinden wird, beendete das Berliner Treffen. Die Resonanz der Teilnehmer auf diese erste Jahrestagung war überwiegend positiv. Der zeitliche Rahmen wurde jedoch als zu eng empfunden. Für folgende Tagungen sollte dies berücksichtigt und im Interesse einer größeren Gesprächsvielfalt mehr Zeit zur Verfügung gestellt werden.
Andreas Wittenberg
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